Lexikon


Suche


Bitte hier Suchbegriff eingeben.


Sloterdijk, Peter

Drucken


Lebenslauf

geboren: 26. Juni 1947 in Karlsruhe

Peter Sloterdijk wuchs in den Nachkriegswirren ohne Vater auf, was ihn nach eigener Auskunft sehr prägte. Von 1968 – 1974 studierte Sloterdijk Philosophie, Geschichte und Germanistik an den Universitäten München und Hamburg. 1976 promovierte er in Hamburg mit einer Studie zur Philosophie und Geschichte moderner autobiographischer Literatur. Die Jahre 1978 – 1980, die Sloterdijk selbst als Jahre der „Umstimmung“ beschreibt, ohne die sein Schreiben und Philosophieren undenkbar wären, verbrachte er in einem klosterähnlichen Meditationszentrum in Indien. Seit den 1980er-Jahren arbeitet Sloterdijk als freier Schriftsteller und veröffentlichte seither zahlreiche Arbeiten zu Fragen der Zeitdiagnostik, Kultur- und Religionsphilosophie, Kunsttheorie und Psychologie. Von 1992 – 1993 war er Professor für Philosophie und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Ab 1993 leitete Sloterdijk das Institut für Kulturphilosophie an der Akademie der bildenden Künste in Wien, bis er schließlich im Jahre 2001 Professor für Philosophie und Ästhetik und Rektor an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe wurde. Seit Januar 2002 moderiert er zusammen mit Rüdiger Safranski die Gesprächsrunde „Im Glashaus: Das philosophische Quartett“ im ZDF.


Bedeutung

Peter Sloterdijk ist ein deutscher Philosoph und Kulturwissenschaftler. Seine öffentlichen Auftritte als Fernsehmoderator und seine Wortmeldungen in den Feuilletons renommierter Zeitungen haben ihn zum bekanntesten und zugleich umstrittensten Philosophen der deutschen Gegenwartsphilosophie gemacht.


Lehre und Gedanken:

Abseits akademischer Diskussionen entstand Peter Sloterdijks 1983 erschienenes Buch „Kritik der zynischen Vernunft“, das in Deutschland größeres Aufsehen erregte und mittlerweile zu den meistverkauften philosophischen Büchern des 20. Jahrhunderts zählt. Es hat wesentlich dazu beigetragen, die Philosophie in der Öffentlichkeit wieder als ein relevantes Forum aller Wissensbereiche und als offenen Diskurs zu verstehen.

Ausgangspunkt ist das Begriffspaar „zynisch – kynisch“, anhand dessen Sloterdijk die europäische Kulturgeschichte als Geschichte gesellschaftlicher Polaritäten durchdekliniert. Der einstige Kynismus war eine Lehre der Bedürfnislosigkeit, die auf Diogenes zurückgeht, der sich damit den geltenden Konventionen widersetzte, aber nicht zynisch in unserem heutigen Sinne war. Sloterdijk sieht davon ausgehend in der Neuzeit eine Verwandlung hin zu einem Zynismus, der Ausdruck von Machtlosigkeit und Ohnmacht im Angesicht einer (allgemeinen) Sinnlosigkeit ist. Im herrschenden Zynismus der Gegenwart beweist sich Sloterdijk zufolge, dass eine wirkliche Aufklärung im Sinne Kants nie stattgefunden hat.

„Zynismus ist das aufgeklärte falsche Bewusstsein, an dem Aufklärung zugleich erfolgreich und vergeblich gearbeitet hat.“ (Peter Sloterdijk: Kritik der zynischen Vernunft)

Zynismus beurteile Handlungen allein materialistisch, d. h. nach ihrer Effizienz und Effektivität zur Erreichung eines bestimmten Handlungszieles. Das, was der Mensch aus zynischer Sicht soll, ist das Erreichen von Gewinnmaximierung, sonst nichts. Da, wo es um soziale, ethische oder altruistische Ziele (etwa um ein „gelungenes Leben“) gehe, bliebe dem Zynismus nichts als Schweigen. Zur Verdeutlichung seiner These unternimmt Sloterdijk den Versuch, gesellschaftliche Phänomene anhand des Begriffspaars „zynisch – kynisch“ einzuordnen: Dem patriarchalischen Zynismus stellt er den aufbegehrenden feministischen Kynismus gegenüber, dem Zynismus der nach Profitmaximierung strebenden Unternehmen den Kynismus der gewerkschaftlichen Protestbewegungen usw.

Ähnlich verfährt Sloterdijk in seinem Opus magnum, in der „Sphärentrilogie“, nur dass er als Ordnungsmuster kein Begriffspaar, sondern die geometrische Form der Kugel gebraucht. Getragen ist das über 2000 Seiten starke Werk von einer schwermütigen These, dass wir alle schon im ungeborenen Zustand, in der kugelförmigen Gebärmutter, ein Gefühl der räumlichen Geborgenheit entwickeln, für die wir dann, einmal zur Welt gebracht, keinen hinreichenden Ersatz mehr finden, ihn aber verzweifelt suchen, unter anderem in der Religion. Für Sloterdijk sind die Religionen der letzten 2500 Jahre Verfahren gewesen, den Menschen nachträglich diese fehlende Geborgenheit zu ersetzen.

Großes Aufsehen erregte Sloterdijk mit seiner Rede „Regeln für den Menschenpark“, die er 1999 hielt und auch in Buchform veröffentlichte. Der Vortrag löste eine heftige öffentliche Debatte über die Anwendung von Gentechnologie auf den Menschen aus.
Sloterdijk argumentiert mit Nietzsche, dass die Menschen schon immer ein Züchtungsprojekt betrieben und es unter dem Deckmantel der Humanität verborgen hätten. Nach der Entschleierung der Menschheitsgeschichte als Züchtungsprojekt gälte es nun, Regeln für einen zukünftigen Menschenpark aufzustellen. Gerade im Angesicht des ungeheuerlichen Geschehens in der faschistischen Epoche des 20. Jahrhunderts gelte es, die Frage nach den Möglichkeiten der „Menschenzähmung“ und „Menschenbildung“ neu zu stellen. Trotz einer Vielzahl anderer Themen (z. B. Aufklärungs- und Medienkritik), die in dem Vortrag zur Sprache kamen, wurde er in der Öffentlichkeit vor allem als Plädoyer für eine „positive Eugenik“ wahrgenommen. Vielfach wurde Sloterdijk vorgehalten, er würde damit die faschistoide Züchtungsideologie der Nationalsozialisten verteidigen.


Hauptwerke von Peter Sloterdijk

„Kritik der zynischen Vernunft“ (1983)
Peter Sloterdijk: Kritik der zynischen Vernunft. Frankfurt /M.: Suhrkamp 2007.

„Regeln für den Menschenpark“ (1999)
Peter Sloterdijk: Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zu Heideggers Brief über den Humanismus. Frankfurt /M.: Suhrkamp 2008.

Sphären I–III (1998, 1999 und 2004)
Peter Sloterdijk: Sphären. Band 1–3. Frankfurt /M.: Suhrkamp 2008.


Über Peter Sloterdijk

Sjoerd van Tuinen: Peter Sloterdijk. Ein Profil. Paderborn: Fink 2007.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2010

Philosophen und Denker
Das Lexikon der Philosophen und Denker bietet interessante Informationen über deren Leben und Werke.